Einstein am Ischtartor

(Acryl/Öl auf Leinwand 100cm x 100cm, Carl Weinert 2010)

 

Im ersten Akt von Richard Wagners Oper Parsival gibt es folgenden Reimdialog zwischen Parsival und Gurnemanz:

P: Ich schreite kaum, doch wähn ich mich schon weit,

G: Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit.

 

Die Vermischung der fundamentalen Anschauungsformen Raum und Zeit wird hier der besonderen Situation von Parsivals erstem Gang zum Gral zugesprochen und hat eher einen mystisch-sakralen Tenor.

Aber auch in der Physik wurde in dieser Zeit über den Zusammenhang zwischen Raum und Zeit nachgedacht. Gut 20 Jahre nach der Uraufführung der Oper Parsival formulierte der Physiker Albert Einstein 1905 die Relativitätstheorie und zeigte, dass sich Raum und Zeit nicht getrennt voneinander betrachten lassen, sondern als Raumzeit eine Einheit bilden.

Allgemein gesprochen, ist uns die Verbindung von Raum und Zeit geläufig, da mit dem Zeitempfinden eine Veränderung oder Bewegung einhergeht. Worte wie ,Zeitraum’ oder ‚Lebensweg’ zeugen davon. Jedoch unterscheiden wir im Alltagsgebrauch insofern zwischen Raum und Zeit, dass wir bei Veränderungen die Zeit für ruhenden und bewegten Beobachter als gleich annehmen, d. h., dass für einen Zugreisender die Zeit gleichschnell verläuft wie für eine am Bahnsteig stehende Person. Wir akzeptieren, dass es für den Zugreisenden eine räumliche Veränderung gibt, nicht aber eine Änderung in seinem Zeitverlauf.

 

Ausgehend von den physikalischen Erkenntnissen am Ende des 19. Jahrhunderts (vor allem von der Entdeckung der universellen Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) zeigte Albert Einstein, dass die Annahme einer allgemeingültigen (absoluten) Zeit nicht mehr haltbar ist. Um den Naturgesetzen Rechnung zu tragen, müssen beim Übergang vom ruhenden System (Bahnsteig) in ein bewegtes System (Zug) sich sowohl der Raum als auch die Zeit verändern (in der mathematischen Sprache der Physik bedeutet das eine Transformation der physikalischen Gleichungen, die dann in der vierdimensionalen Raumzeit geschieht). Danach verläuft für den Zugfahrer die Zeit langsamer als für den am Bahnsteig stehenden Beobachter.

 

Dass wir solche zeitlichen Änderungen in unserem Alltagsleben nicht bemerken, liegt daran, dass deutliche Zeitveränderungen erst bei den enormen Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit c (c=300 000 km/s) auftreten, so dass für unsere schnellsten Fortbewegungsmittel nur winzigste Änderungen in der Zeitskala eintreten. Jedoch wäre kaum ein Experiment der Elementarteilchenphysik (z. B. die Experimente am CERN) erklärbar ohne Einbeziehung dieser sog. relativistischen Effekte.


Die Raum-Zeit-Aussage der Relativitätstheorie kann grafisch mit Hilfe des sog. Lichtkegels aufgezeigt werden, der in der Abbildung mit je einer Raumkoordinate (x) und Zeitkoordinate (t) durch die einfache Geradengleichung x=ct gebildet wird, wobei die Zeit in vertikaler Richtung und der Ort in horizontaler Richtung verläuft. Diese Gerade trennt die Fläche in den vertikal verlaufenden Vergangenheits-, und Zukunftskegel (gelb) und in die seitlichen grauen Dreiecke. Die durch das Diagramm dargestellten Punkte (x,t) werden auch Weltpunkte genannt. Kausalität zwischen zwei Ereignissen ist dann nur noch für Punkte innerhalb des Lichtkegels formulierbar, während zu den grauen Gebieten keine Kausalbeziehung möglich ist. Die beschriebenen Gebiete bilden auch auf dem Gemälde den Hintergrund zum Ischtartor.

 

So kann man etwas verkürzt sagen, dass die Kausalbeziehungen, die in der klassischen Physik (Newton) und in der Philosophie Kants allgemein gegolten haben, durch Einsteins Entdeckungen auf Weltpunkte im Bereich des Lichtkegels beschränkt werden.

 

Das gemalte Tor ist in Form und Farben dem Ischtartor nachempfunden. Das Ischtartor ist ein Babylonisches Stadttor, das Nebukadnezar bauen ließ und das heute im Vorderasiatischen Museum in Berlin steht. Einstein lebte von 1914 bis 1932 in Berlin und es ist wahrscheinlich, dass er das Tor kannte, das ab 1930 im Pergamonmuseum zu besichtigen war.

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